Wo der Weißwein im Felsenkeller wohnt – back-to-the-roots-Outrigger-Camping am Staffelsee“
Wanderfahrt des Chiemsee Outrigger Canoes e.V. vom 4. bis 6. Juli 2025 – ein Wochenende zwischen Sonnenuntergangsromantik, Bürokratie-Extremsport und literarischem „Ballast“ im Boot.
Wer glaubt, dass man für ein echtes Abenteuer einen Reisepass, eine Seilwinde und ein Survival-Handbuch braucht, hat noch nie versucht, ein 11 Meter langes Outrigger-Kanu auf einem Autodach zu transportieren. Und wer denkt, Camping sei Entspannung, war noch nie auf der Insel Große Birke im Staffelsee – genauer gesagt auf dem Campingplatz des BKV, wo der Weißwein kühl, die Protokolle lang und die Plumsklos erstaunlich belüftet sind.
Donnerstag: Boot auf Dach – klingt einfach, war’s aber nicht
Man nehme ein 11 Meter langes Outrigger-Kanu, ein normales Autodach, vier Männer mit grober Vorstellung von Physik – und schon beginnt der Spaß. Martin, Rainald, Dennis und Andreas verwandelten an diesem Abend eine gewöhnliche Einfahrt zum Seegelbootliegeplatz in eine Szene aus „Tetris – Hardcore Edition“. Am Ende lag das Boot in zwei Teile geteilt tatsächlich oben – und keiner drunter. Das Abenteuer konnte starten.
Freitag – Die Landung auf Planet Bürokratia
Am nächsten Morgen Anreise zur „Schweinebucht“ – der romantisch benannten Einsetzstelle am Staffelsee. Leider darf man dort nicht über Nacht parken. Martin parkt also um. Fußmarsch mit Bootsmontagegefühl: 900 Meter, steigend.
Dann paddeln wir zu dritt (Dennis wird erst am Samstag dazukommen) zur Insel Große Birke, ohne zu wissen, wo man eigentlich anlegt. So wie Entdecker früher. Nur mit funktionierendem GPS. Auf der Insel werden wir freundlich gleich vom wahren Endgegner empfangen: der Platzwartin. Eine Dame, deren Alter nur von ihrer Liebe zu Papierkram übertroffen wird. Sie führt uns durch ein Anmeldeverfahren, das an die Einreise in die DDR erinnert: Name, Adresse, Geburtsdatum, Nächte, Preise, Zwischensumme, Kaution für eine Zeltmarke (!) laut Lageplan – alles wird fein säuberlich dokumentiert. Nach 20 Minuten wissen wir: Das ist hier kein Campingplatz. Das ist eine Verwaltungszentrale mit gelegentlichem Zeltbetrieb – letztlich völlig egal, weil die Insel ziemlich leer war. Willkommen in Deutschland 😊, aber mit Herz.
Danach: Inselführung auf eigene Faust. Trinkwasser per Schwengelpumpe (urbanes Survival-Feeling inklusive), Plumsklos in Bestform und – der heilige Gral – der legendäre Felsenkeller – kühl genug für Weißwein und Bier. Ein echter Lebensretter. Jetzt konnte das Wochenende wirklich beginnen.
Dann: Zelte aufbauen, baden im warmen See (wärmer als unser geliebter Chiemsee!), Bier aufmachen.
Der Abend: Grillen am Ufer. Unser Mini-Grill mit eingebautem Lüfter wurde zum Helden des Abends. Auf dem Rost: Steaks, Würstl, Schnitzel, Halloumi (ja, der quietschende).


Samstag: Dennis, Hawaii-Feeling und die Bücher
Morgens: Andreas im See, Rest im Halbschlaf. Nach Kaffee, Tee und Frühstück paddelten wir zur Schweinebucht, um Dennis abzuholen. Bahn pünktlich! Wer hätte das gedacht? Applaus.


Mit voller Crew ging’s um die Insel Wörth – kurzer Halt auf der Jakobsinsel. Klein, pittoresk, aber nach dem Landgang sieht es aus, als hätten 50 Enten ein Festival gefeiert – überall Kot. Viel Kot. Und er ist… groß. Sehr groß. Wir verdächtigen Kormorane oder mutierte Gänse. Vielleicht ein tierischer Hinweis: „Bleibt weg!“

Nächstes Ziel: die Hawaii-Bucht. Unsere Outrigger fühlten sich sofort zuhause. Die sieht tatsächlich ein bisschen aus wie Hawaii – wenn man etwas blinzelt. Schöne Pause mit Brotzeit, Baden und Gesprächen über aggressive Stiere (angeblich streifen hier wilde Kühe mit Bodyguard-Stier herum) – gesehen haben wir sie nicht. Wahrscheinlich hatten sie Wochenende).


Zurück auf der Großen Birke: Dennis darf sich auch durch die Anmeldematrix kämpfen, diesmal mit einem anderen Platzwart, der eher Versteckspielmeister als Rezeptionist ist. Nach 30 Minuten ist auch das geschafft. Die Brotzeit hat er sich verdient.

Danach noch eine Spritztour Richtung Norden. Rainald steuert. Die Route ist… kreativ. Schlangenlinien sind schließlich auch Linien. Wir passieren Jugendgruppen, Seerosen, Strandbäder und landen letztendlich in Uffing – dort gibt’s Kaffee, Kuchen – und Flohmarkt.

Andreas ersteht eine Actioncam-Hülle, Dennis einen Müllsack voller Bücher. Ernsthaft. Einen kompletten Müllsack. Niemand wusste, was drin war, aber plötzlich hatten wir 10 Kilo literarischen Ballast im Boot. Ab da der Running-Gag: Hoffentlich fallen die Bücher bei Wellengang nicht „zufällig“ zuerst über Bord?
Musikalisch begleitet wurden wir bald von einem Trommeln im Boot. Drachenboot-Vibes? Nein, es waren nur Flaschen, die rhythmisch durch den Rumpf rollten. Wir nennen es: „Percussion by Chaos“ – ernsthaft, unser Flow im Kanu war wohl richtig gut.
Am Abend: Spaghetti Tricolore mit Pesto Verde, gekocht auf Hightech-Campingkochern. Dennis warnte noch vor dem heißen Wasser, das er Rainald eingießen sollte. Noch bevor Rainald „Finger heilen wieder“ zu Ende sagen konnte – „Aahhh“, dann Lachen für alle.

Stimmung: blendend. Temperatur: 25 Grad. Ausblick: Postkartenmotiv mit Outrigger. Dazu Gespräche, die nur ein Arzt, ein Architekt, ein Ingenieur und ein Lehrer führen können, kalter Weißwein und das große Rätsel: Warum haben wir drei Gaskocher dabei? Antwort: Weil niemand vorher gefragt hat, wer was mitnimmt. Teamwork 😊. Egal. Hauptsache Bier kalt und Stimmung warm.

Dazu Gespräche, die nur ein Arzt, ein Ingenieur und ein Lehrer führen können, kalter Weißwein und das große Rätsel: Warum haben wir drei Gaskocher dabei? Antwort: Weil niemand vorher gefragt hat, wer was mitnimmt. Teamwork 😊. Egal. Hauptsache Bier kalt und Stimmung warm.

Sonntag – Abreise mit Regen und Gewichtsklasse „Überschwer“
Morgens um sieben: Regen. Um acht: mehr Regen. Um neun: Nieselregen, dann feuchtes Frühstück und Abbau. Der Ama wurde mit 6 Liter Wasser in Flaschen beschwert – als Gegengewicht zur Literaturladung. Hydraulisches Gleichgewicht deluxe.
Rückfahrt zur Schweinebucht unter staunenden Blicken anderer Paddler. Das Steuern mit dem schweren Boot wurde irgendwie einfacher – zumindest solange man nicht lenken musste. Dann wurde es laut: Der Staffelseelauf mit Spielmannszug und ein Moderator, der klang wie Hans-Söllner-auf Koffein, begrüßte uns am Ziel.
Martin sprintete zum Auto, der Rest zerlegte das Boot. Ohne unsere zwei mitgebrachten Gabelschlüssel hätten wir heute noch diskutiert, wie man ein 11-Meter-Boot auf ein Autodach bekommt. Um elf war alles verladen – mit Muskelkater in den Armen, einem Lächeln im Gesicht und dem festen Vorsatz:
Das machen wir wieder!
Fazit:
Drei Tage, vier Paddler, ein Inselabenteuer. Bürokratie mit Herz, Spaghetti mit Fingerkontakt, Bücher mit Übergewicht aber auch Sonnenuntergänge deluxe. Ein unvergessliches Wochenende – unbedingt wiederholen. Und nächstes Mal bringen wir nur einen Gaskocher mit aber gern wieder Grill, Ama-Beschwerung und Felsenkeller-Weißwein.
Aloha vom Chiemsee!

Mitgefahren sind:
– Rainald: Ultralight-Guru mit Brandblasen
– Dennis: Literaturhändler der die Gelegenheit nutzt
– Martin: Dachträger-Künstler und Navigator
– Andreas: Frühschwimmer und Flohmarktschnäppchenjäger
Boot: V4 – unser treuer, schaukelnder Reisebus mit Outrigger
Schönster Satz des Wochenendes: „Finger heilen wieder – Aua!“