Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr!

Manche Dinge dauern einfach etwas länger, die große Chiemsee Konturrunde im V1 Tiama Raa mit Zelt und Dackel zum Beispiel.

Länger dauerte hier schon die Entscheidung endlich mal los zu fahren und vorher die fehlende Ausrüstung zu beschaffen.

Länger dauerte dann auch die Fahrt auf die ganz gemütliche Tour, immer knapp dem Ufer entlang und in jede Bucht hinein, da bekommt selbst der Chiemsee ganz neue Dimensionen.

Seit für die Montenegro Expedition ein neues Einmann-Einhund-Zelt, das Gosamer von Jack Wolfsskin, in meinem Sportinventarium liegt und sich bereits bewährt hat, gibt es also keine Ausrede mehr. Besonders gut gefällt mir, dass alles, Schlafsack, Zelt usw. in meinem doch sehr schlanken V1 unter Deck Platz findet. Es muss also nichts windanfällig oder auffällig an Deck verzurrt werden.

Am späten Vormittag um 11:00 Uhr geht es in Schützing los Richtung Seebruck, denn ich will die Runde gegen den Uhrzeiger paddeln. Das Minihomer GPS wird das alles auch ganz genau mit loggen und damit es nicht vorzeitig schlapp macht, wird die Bordelektronik solarmäßig fit gehalten. Nomen est Omen, das Hoch Stefan verspricht für die nächsten Tage auch reichlich Sonnenenergie für dieses Vorhaben.

Der Pegelstand in Seebruck ist nach den Niederschlägen der letzten Tage auf 128 cm über 0 cm bei 517,34 Meereshöhe angestiegen, das wird einige Bivakplätze etwas feucht machen. Erste kleine Pause im Jachthafen Lambach, beim aktuellen Wasserstand gleitet man hier beim Anlanden bequem auf den gepflegten Rasen zur Strandbank.

Ab Gollenshausen kommen wir dann in den privaten Teil des Chiemsees, denn neben der Uferbeschränkung zum Fisch und Vogelschutz, kommen hier noch private Ufergrundstücke dazu. Auf unserer Seeseite unvorstellbar, reihen sich hier die Bootshäuser und Steganlagen am Wasser und sind garniert mit unfreundlichen Schildern wie: Privat, Anlanden Verboten bis Betreten streng Verboten. Hier ist der Gemeingebrauch des bayerischen Gewässers also wörtlich gemein geregelt.

Schöne Bande- und Anlandestellen erst wieder nach dem Trubel der Schifffahrtsstelle Gstadt bis um die Ecke in die Bucht von Breitbrunn. Gute Bewirtung am Abend dann „Beim Oberleitner“ neben dem Fähranleger und erstes Bivak gegenüber dem Jachthafen Urfahrn.

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Am nächsten Morgen steht dann die Konturbefahrung der nächsten zwei Buchten vor Prien an, soweit Kontur wegen der betonnten Schongebiete möglich ist. Obschon ich ja den Chiemsee bereits seit den frühen 70ern beruderte, besegle und bepaddle, war ich noch nie in der Schafwaschener Bucht, aber jetzt weiß ich, dass ich dabei nicht viel versäumt habe. Doch nein, der Anlegeplatz an der Vogelbeobachtungsstelle bei der Prienmündung ist sehr schön und das schmucke Holzgebäude mit Seebalkon und Spenderfernglas sehr neu. Was man doch am Wasser immer noch so alles bauen darf, wenn man die richtigen Beziehungen hat…

Die Pause dort tat im Nachhinein gut, denn nun kommt der verbaute Moloch Prien, mit Großschifffahrt, Großjachthäfen und privaten Strandabschnitten. Ich habe bis Felden keine einladend wirkende Landestelle gesehen, natürlich auch im Hinblick auf freien Hundeauslauf. In Felden beginnt, abhängig von der Windrichtung, das Seeufer mit der infernalischen Geräuschkulisse der A8 und ich drehe entnervt von meinem Uferkurs ab und paddle zur Herrninsel rüber. Mit geschlossenen Augen dröhnt die Autobahn wie die nahen Rheinfälle, aber Schaffhausen liegt gar nicht zwischen Bernau und Feldwies.

Der bekannte Landeplatz an der Südostecke der großen Insel heißt Pauls Ruhe, das ist es was ich auf der Runde eigentlich suche. Der Laubwald mit den großen alten Bäumen ist ein wunderbarer Platz um wieder Kraft zu tanken und der zweite Bivakplatz liegt erhöht und trocken direkt am Wasser mit Blick auf die Berge. Ein Kajak legt noch an, es ist Musiker und Komponist Horst Biewald, der sich hier in Pauls Ruhe auf sein nächstes Jodelseminar vorbereiten will.

Früh geht es los zur letzten Etappe dieser Chiemseerunde. Mein Rundkurs setzt nach dem sichtbaren Autobahnteilstück Richtung Rottmündung wieder an. Hier liegen nette versteckte Kiesstrandflecken zwischen der Ufervegetation, aber dieser Lärm dahinter schon um 06:30 Uhr am Morgen…

Wie auf der ganzen Tour fahre ich die Schongebiete exakt von Boje zu Boje ab und halte mich auf der Seeseite, so auch dort im Bereich der Flussmündung. Weiter vor mir die letzte Markierungstonne und dann eine weite offene Bucht mit Sichtkontakt zur A8. Ein Berufsfischer müht sich mit seinem Boot und schwerem Aussenborder durch ein Seerosenfeld. Bei meinem Näherkommen versucht der Mann den frühen Lärm der Autobahn zu übertönen und schreit mir etwas zu, ich verstehe ihn erst beim dritten Versuch. Er fragt ob ich die Schilder auf den Bojen gelesen hätte und macht dazu eine Scheibenwischer Geste.

Habe ich, und wie er sehen konnte wurde auch die letzte Boje seeseitig gerundet bevor ich dann wieder der Uferlinie folgte. Ich dachte erst sein Scheibenwischer sei Ausdruck dessen was er von den Schutz- und Ruhegebieten der unteren Naturschutzbehörde hält, aber da habe ich mich dann doch getäuscht. Auf Hörweite, aber wegen meiner Ruderanlage gut ausserhalb seiner Seerosen beschimpft mich dieser Mann nun, was ich hier am Ufer innerhalb des Sperrgebietes zu paddeln und die Fische zu vertreiben hätte. Dabei zeigt er auf eine, jetzt auch für mich sichtbare Boje in Richtung Feldwies, die wie er meinte, in Linie die ganze Bucht absperren sollte.

Der Abstand der Betonnung ist aber so gross, dass man von meiner zuletzt passierten Boje diese Nächste gegen den Sonnenaufgang oder bei anderem unsichtigen Wetter nicht sehen kann, da fehlen mindestens noch zwei Bojen für eine klar erkennbare Sperrlinie. Dann geht es hier nur um diese zeitliche Ruhezohne vom 01.03. bis 31.07. aber die Krönung ist ja wohl der Auftritt des Berufsfischers der eben noch mit seinem Aussenborder das Seerosenfeld gemäht hat und jetzt ein Netz in seinen Kahn zerrt.

Wir können sie nicht fragen, aber ich bin mir doch sehr sicher, dass die Fische lieber mein lautlos dahingleitendes Kanu hätten als seinen Propeller mit Unterwasserauspuff und das elende Ende in seinem Stellnetz. Wieviel Dummheit darf sich denn mit einem so biblischen Beruf verbinden oder schließt sich das gar nicht aus? In der Fassungslosigkeit hab ich glatt vergessen ein Foto für’s Internet von ihm zu machen, aber nichts wie weg hier von so unerfreulichen Zeitgenossen.

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Am schönen Strand von Feldwies liegt alles noch in morgendlicher Ruhe und die Aussichten auf ein Frühstück mit viel Kaffee und frischen Gebäck sind schlecht. Also noch mal etwas trockenes Notrationsmüsli und Wasser aus Bordbeständen und dann weiter der Bojenkette des Naturschutzgebietes Achenmündung entlang zur Chiemsee Ostseite hinüber. Am COC Rastplatz in Unterhochstätt ist bei diesem Pegelstand noch Land unter, darum gleich abgedreht zum Strandcafe Sonnendeck Chieming. Hier spannt man gerade das Sonnensegel auf und serviert mir frische Butterbrezen mit einer riesigen Schale heissen Kaffee und die Welt ist wieder ganz in Ordnung.

Es liegen inzwischen schon gefühlte 50 Kilometer hinter mir und bald schließt sich der Kreis. Vorbei gleiten die versteckten Badenischen zwischen den Uferweiden bei Stöttham am wunderbar stillen, verkehrsfreien Ostufer und ich kenne mich wieder aus…

I bin da Stefan und da bin i dahoam :-))